Hier findet Ihr den Artikel über das Tierheim aus der PNP vom 17.02.21:

„Ich bin die Lobby der Tiere“

Corona befeuert die Haustier-Nachfrage – das stellt Tierheimleiterin Gaby Wunner vor neue Herausforderungen

Regen. Lockdown, Homeoffice – so viel wie seit Ausbruch der Corona-Pandemie war man selten in den eigenen vier Wänden. Da wäre doch ein Haustier schön.
Diesen Gedanken dürften viele Menschen in den letzten Monaten gehabt haben, denn Gaby Wunner, Leiterin des Tierheims Regen, konstatiert: „So viele Tiere, wie ich gerade vermitteln könnte, so viele habe ich das ganze Jahr nicht da.“

Viel Leerstand im Quarantänebereich: Seit der Corona-Pandemie weiß jeder, wie wichtig Isolation sein kann. Gaby Wunner wusste das schon vorher. Kommen neue Tiere ins Tierheim, werden diese zunächst getrennt gehalten, um sicherzugehen, dass sie sich nicht gegenseitig mit Viruserkrankungen wie Parvo oder Staupe anstecken. Danach geht es in die gemütlicheren Zimmer. − Foto: Baumgartner

Momentan hat sie weder Hunde noch Katzen zur Vermittlung im Tierheim. Für sie bedeutet die riesige Nachfrage an Haustieren aus dem Tierheim noch mehr Verantwortung. Man kann nicht einfach ins Tierheim kommen und sich einen Hund oder eine Katze aussuchen.
Man muss erst Gaby Wunner überzeugen, dass man einem Tier dauerhaft ein gutes, artgerechtes und langfristiges Zuhause bieten kann. Ihr Faustpfand, um diese Fragen zu klären, ist ihre immense Erfahrung. „Ich arbeite seit 35 Jahren im Tierschutz und der Tiervermittlung. Da weiß ich ziemlich genau, wenn jemand zur Tür reinkommt, welches Tier zu dem passt. Oder ob keines der Tiere gerade passt.“ Das sind die harten Entscheidungen, die Wunner treffen muss. „Da gibt es Enttäuschungen, ganz klar. Aber ich bin die Lobby der Tiere, nicht der Menschen“, erläutert sie ihre Aufgabe.

Schmusen mit Maske geht für Gaby Wunner nicht mehr lange, diese Katze ist bereits vermittelt. − Foto: Baumgartner

Häufig muss sie aufklären, wie fordernd eine bestimmte Hunderasse ist, was artgerecht im jeweiligen Fall bedeutet. Ein Australian Shepherd sei für den australischen Outback als ausdauernder Hütehund gezüchtet worden, sagt sie: „Der holt nach einer 20-Kilometer-Wanderung einen Ball und sagt ‚Komm, weiter geht’s‘, weil er gerade erst warm geworden ist.
Dann holen sich Berufstätige so einen Hund, weil er einfach wunderschön ist, gehen zwei Mal am Tag eine halbe Stunde mit ihm raus und wundern sich, dass er verhaltensauffällig wird“, schüttelt Wunner den Kopf. „Hat man nicht so viel Zeit, sollte man sich lieber zwei Hauskatzen holen. Die kommen gut alleine zurecht, die brauchen den Menschen nicht. Ein Hund dagegen ist angewiesen auf seinen Menschen.“

Tier und Mensch müssen zueinander passen

Kommt man in das idyllisch gelegene Tierheim in der Pometsauer Mühle, sollte man von einer Mischung aus Info-Veranstaltung und Bewerbungsgespräch ausgehen, nicht davon, dass man sich mal schnell ein Haustier abholt. „Die Leute denken auch oft, sie kommen hierher und bekommen den tollsten, verschmustesten Hund. Wir sind hier aber in einem Tierheim, die Hunde haben schon alle einiges durchgemacht. Da
sollten die neuen Herrchen schon Hundeerfahrung mitbringen.“
Reflektierte Menschen, meint Wunner, wüssten dies zu schätzen, schließlich ginge es ja nicht nur darum, den Tieren ein bleibendes Zuhause zu vermitteln, sondern auch den Menschen ein Tier, das zu ihnen passt. Häufig löst eine geplatzte Tiervermittlung aber Unverständnis aus. „Jeder, der hier im Tierheim kein Tier bekommen hat – aus guten Gründen – kann ins Internet gehen und sich den Hund suchen, den er möchte.“ Ein Umstand, der Wunner Kopfzerbrechen bereitet.

Die Hundemafia profitiert vom Haustier-Boom

Denn im schlimmsten Fall spielen Online-Käufer illegalen Züchtern im Ausland in die Hände, der Hundemafia. Laut Gaby Wunner werden genau die Rassehunde produziert, die sich am besten verkaufen lassen, und als kleine Welpen aus Süd- oder Osteuropa über die deutsche Grenze geschmuggelt. „Dort entdeckt die Bundespolizei immer wieder Transporter mit 50, 60 Tieren darin. Genug Lieferungen kommen aber auch durch.“
Die gefundenen Hunde werden in Tierheime verteilt. Dort kommen sie nicht selten krank an, die Hunde sind meist nicht durchimmunisiert und geimpft. Die Kosten für den Tierarzt, für die Impfungen müssen im Anschluss die Tierheime tragen. Ein Drittel der illegal gezüchteten und transportierten Hunde stirbt an ihren Krankheiten, schätzt Wunner.
Für die Hundemafia bestimmt die Nachfrage den Markt und die ist aktuell groß. „Die Welpen sind alle im Internet vorbestellt und werden im Ausland nur so produziert“, ärgert sich Gaby Wunner.
Gegen dieses Geschäft will sie mit Aufklärung vorgehen: „Wenn ich bloß fünf Leute davon abhalte, ein Tier im Internet zu bestellen, wäre das aus meiner Sicht ein ganz großer Gewinn“, zieht Gaby Wunner Motivation aus dem Tierwohl.
Und sieht neue Herausforderungen auf sich zukommen, sobald die Welt nach Corona zur Normalität zurückkehrt. „Man kann die Situation nicht richtig einschätzen, was mit all den Haustieren dann passieren wird.“ Eine Zukunftsprognose traut sich Gaby Wunner nicht geben: „Wie stark die Welle zurückrollt und Tiere, die jetzt angeschafft wurden, wieder abgegeben werden, kann noch keiner sagen. Und ob wir das dann auffangen können.“

Von Benedikt Baumgartner

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